Smirat
Der Ort Smirat selbst besitzt kein Amphitheater, doch kam in einem privaten Anwesen ein Mosaikboden zutage, welcher der Ausrichtung einer Jagdveranstaltung (venatio) im Amphitheater ein Denkmal setzte.
Lage
Darstellungen
Magerius-Mosaik; AO: Museum Sousse (Bild):
Der Mosaikboden stammt aus einem Privathaus und wird als ein Zeugnis für die Selbstdarstellung des 2 mal genannten Magerius gehalten. Dieser läßt seine munificentia und seine liberalitas als munerarius, d.h. als Spielegeber, feiern. Der Boden wird zumeist in das 2. Viertel des 3. Jhs. n.Chr. datiert.
Das Mosaik kann von zwei entgegengesetzten Seiten gelesen werden, Hauptansichtsseite scheint aber diejenige zu sein, von der aus man die zentrale Inschrift beidseits eines jungen Sklaven lesen kann. Dieser trägt auf einem großen silbernen Tablett, einer lanx, vier Geldsäcke mit dem Zeichen ∞, also einer liegenden 8, dem Zeichen für 1.000. Links von ihm schreitet eine Gestalt mit den Attributen der Jagdgöttin Diana in seine Richtung. Im Register darunter rammt der Venator Spittara dem Leoparden Victor eine Lanze in den Unterleib. Rechts daneben wird der schon am Boden liegende Leopard Crispinus von Bullarius und Hilarinus niedergestochen. Ungewöhnlich sind die Girlanden, welche die Leoparden um ihren Körper gebunden haben: Sie könnten ganz einfach ein Schmuck der in der Arena zu tötenden Tiere sein oder religöses Symbol der Gottheit, welcher die Tiere geweiht waren.
Von der anderen Seite aus sieht man rechts unten wie der Venator Mamertinus den Leoparden Romanus wiederum in den Unterleib trifft und links von ihm scheint sich der schon getroffene und blutende Leopard Luxurius im Todeskampf niederzusinken. Links daneben steht eine größtenteils zerstörte Figur, die Mageri(us) heißt: In ihr wurde der munerarius selbst gesehen, also der Veranstalter des munus. Immerhin ist er in seiner Ausrüstung von den anderen venatores unterschieden, als Person von zentraler Bedeutung würde man ihn allerdings auch an zentralerer Stelle sehen wollen. Rechts über ihm steht Bacchus-Liber Pater mit einer Opferschale in der ausgestreckten Rechten, einem Mantel um die Schulter, Stiefeln und einem Zweizack in der Linken.
Der Kampf, der hier wiedergegeben ist, hat vermutlich in einem Amphitheater der Umgebung stattgefunden, entweder in Thysdrus, Hadrumetum, Thapsus oder Leptis Minus, Bomgardner vermutete in letzterem. Bemerkenswert ist der Name Mamertinus desjenigen Venators, der den Leoparden Romanus = Römer tötet, hatten doch die Mamertiner auf Sizilien einst die Karthager um Hilfe gegen die Römer gebeten und dadurch Rom ein Anlass geboten, in einen Krieg gegen die Punier einzutreten.
Die Telegeni waren eine in Nordafrika mehrfach nachgewiesene Vereinigung von Tierkämpfern, eine sodalitas venatorum, die sich nach ihren bekannt gewordenen Spuren allerdings auch um andere Wirtschaftszweige, wie den Ölhandel mit Amphoren, kümmerte. Ihre Beziehungen reichten mindestens bis nach Italien. Eines ihrer Symbole oder Embleme war das Zahlzeichen 'III', aber auch der halbmondförmige Zweizack (vgl. Mosaik von Rudston). Wie alle antiken Vereinigungen oder sadalitates war auch ihre Tätigkeit mit religiösem Kult verbunden: Ihre Schutzgottheit war Bacchus-Liber Pater, hinter dem im punischen Nordafrika sicherlich die semitische Gottheit Schadrapa steht.
Inschriften des Mosaiks: AE 1967, 549; AE 2000, 1598; (EDH):
Spittara | Spittara |
Victor | Sieger |
Bullarius | Bullarius |
Crispinus | Crispinus |
Hilarinus | Hilarinus |
Per curionem dictum domini mei ut Telegeni pro leopardo meritum habeant vestri favoris donate eis denarios quingentos | Verkündet durch den Ausrufer: Meine Herren, damit die Telegeni für einen Kampf mit einem Leoparden den Lohn eurer Gunst bekommen, gebt ihnen 500 Denare. |
Adclamatum est: exemplo tuo munus sic discant futuri. audiant praeteriti. unde tale. quando tale exemplo. quaestorum munus edes. de re tua munus edes. (i)sta dies. Magerius donat. hoc est habere, hoc est posse, hoc est ia[m] nox est ia(m) munere tuo saccis missos | Beifallsrufe: Mögen künftige Ausrichter von munera deinem Beispiel folgen. Mögen frühere von deinem Beispiel hören. Wo hat es das jemals gegeben? Wann hat es das je gegeben? (Nach dem Beispiel) der Quästoren wirst du einen munus geben. Von deinen eigenen Mitteln wirst du einen munus geben. Das ist dein Tag. Die Gabe des Magerius. Das bedeutet es, reich zu sein, das bedeutet es, mächtig zu sein. Schon bricht die Nacht herein. Mögen die Telegenii die Spiele mit vollen Beuteln verlassen. |
Mageri | des Magerius |
Mageri | des Magerius |
Luxurius | Luxurius |
Mamertinus | Mamertiner |
Romanus | Römer |
Lit.: A. Beschaouch, La mosaïque de chasse à l'amphithéâtre à Smirat, en Tunesie, CRAI 1966, 134-157; A. Beschaouch, Nouvelles recherches sur les sodalités de l’Afrique romaine, CRAI, 121, 3, 1977, 486-503; K.M.D. Dunbabin, The Mosaics of Roman North Africa (Oxford 1978) 67-69. 268 Taf. XXII 53; A. Beschaouch, Nouvelles observations sur les sodalités africaines, CRAI, 129, 3, 1985, 453-475; A. Hönle - A. Henze, Römischer Amphitheater und Stadien (Feldmeilen 1981) 114 Abb. 89; J. Tubach, Im Schatten des Sonnengottes (Wiesbaden 1986) 204 (google); A. Beschaouch, A propos de la mosaïque de Smirat, Africa Romana 4, 1986 (1987) 677-680; P. Veyne, A History of Private Life, I: From Pagan Rome to Byzantium (Cambridge/Mass. - London 1987) 111-113. 397 f.; M. Blanchard-Lemée - H. Slim - L. Slim, Mosaics of Roman North Africa (London 1996) 216 Abb. 162; J.-P. Darmon, Mosaïques d'amphithéâtres en Occident, in: C. Domergue - Chr. Landes - J.-P. Pailler (Hrsg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Actes du colloque tenu à Toulouse et à Lattes les 26, 27, 28 et 29 mai 1987 (Lattes 1990) 147-149; M. le Glay, Les amphithéâtres: loci religiosi?, ebda. 217-229; K.M. Coleman, JRS 80, 1990, 50; F. Jacques, Le privilège de la libertè. Politque impériale et autonomie municipale dans les cités de l’Occident romain (161-244), CEFR 76 (Rom 1984) 400-401; K.M.D. Dunbabin, Mosaics of the Greek and Roman World (Cambridge 1999) 116 f. Abb. 118; R. Hanoune, Encore les Telegenii, encore la mosaïque de Smirat, in: Africa romana 13 (Sassari 2000) 1565-1576; A. Zettler, Offerteninschriften auf den frühchristlichen Mosaikfußböden Venetiens und Istriens, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, 4 (Berlin 2000) 34 (google-Buch); B. Borg - Chr. Witschl, Veränderungen im Repräsentationsverhalten der römischen Eliten während des 3. Jhs. n.Chr., in: G. Alföldy – S. Panciera (Hrsg.), Inschriftliche Denkmäler als Medien der Selbstdarstellung in der römischen Welt, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien, 36 (Stuttgart 2001) 103 (google-Buch); Chr. Hugoniot, Peut-on écrire que les spectacles furent un facteur de romanisation en Afrique du Nord?, in: Y. Lafond u.a. (Hrsg.), L'Afrique romaine - Ier siècle avant J.-C. début Ve siècle après J.-C., Actes du colloque de la SOPHAU Poitiers, 1-3 avril 2005, Pallas 68, 2005, 247 f.; D. Bomgardner, The Magerius mosaic, Current World Archeology 25, 2007; V. Mariotti, Gli spettacoli in epoca tardoantica. I dittici come fonte iconografica, in: M. David (Hrsg.), Eburnea diptycha. I dittici d'avorio tra Antichità e Medioevo (Bari 2007) 245-265 Abb. 8; C. Vismara, Amphitheatralia Africana, Antiquités Africaines 43, 2007, 107-112; Th. Hufschmid, Amphitheatrum in Provincia et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis Puteoli , Forschungen in Augst 43,2 (Augst 2009) 504 Abb. 294; D. Bomgardner, The Magerius Mosaic Revisited, in: T. Wilmott (Hrsg.), Roman Amphitheatres and spectacula: a 21st-Century Perspective, Papers from an international conference held at Chester, 16th-18th February, 2007, BAR Int. Ser. 1946 (Oxford 2009) 165-177; Jim Adams, The Latin of the Magerius Mosaic, Harvard Studies Classical Philology 108, 2016, 509-544; Katherine M.D. Dunbabin, Theater and Spectacle in the Art of the Roman Empire (Ithaca – London 2016) 199-201.